Jahresvortrag des Instituts für Anwaltsrecht
Am 16. Juni 2025 fand der diesjährige Jahresvortrag des Instituts für Anwaltsrecht an der Universität zu Köln im Anschluss an die Mitgliederversammlung des Fördervereins vor über 50 Teilnehmenden statt.
Referent des Abends war Dr. Ulrich Karpenstein (Rechtsanwalt, Vizepräsident des Deutschen Anwaltvereins e.V., Berlin), der zum Thema „Die Resilienz der Verfassungsgerichtsbarkeit in Deutschland – Erreichtes und Unerreichtes“ sprach.
Karpenstein schilderte eindrücklich den langen Weg zur erst kurz vor Ende der vergangenen Legislaturperiode verabschiedeten Grundgesetzänderung, die erstmals einen verfassungsrechtlichen Schutz des Bundesverfassungsgerichts vor politischen Blockaden und Übergriffen normiert. Acht Jahre lang habe er das Reformvorhaben eng begleitet, das angesichts internationaler Entwicklungen dringend erforderlich gewesen sei: Die Justizkrisen in Polen, Ungarn oder den USA zeigten, dass die unabhängige Justiz regelmäßig zu den ersten Angriffszielen autoritärer und populistischer Regime gehöre.
Geradezu paradox sei es dabei gewesen, dass ausgerechnet der „Hüter der Verfassung“ bislang selbst „unbehütet“ gewesen sei. Im Zentrum des Vortrags standen die neuen Regelungen der Artikel 93 und 94 GG, die unter anderem das Selbstverständnis des Bundesverfassungsgerichts als „selbständiger und unabhängiger Gerichtshof des Bundes“ normativ absichern, die Amtszeit der Richterinnen und Richter auf zwölf Jahre begrenzen, die Nachbesetzung bei Blockaden regeln und dem Plenum des Gerichts die Kompetenz zur Geschäftsordnung übertragen.
Karpenstein betonte dabei, dass die Einigung trotz der politischen Großwetterlage auf einem überparteilichen Konsens beruhe. Gleichwohl bleibe die Reform an einigen Stellen unvollständig, etwa mit Blick auf die Nicht-Verankerung des bislang lediglich einfachgesetzlich geregelten Zwei-Drittel-Quorums bei den Richterwahlen im Grundgesetz selbst sowie die fehlende Zustimmungspflicht des Bundesrates bei Änderungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes.
In der anschließenden lebhaften Diskussion, die von Dr. Nathalie Oberthür (Vorsitzende des Fördervereins) und Dr. Dirk Uwer (Mitglied des Vorstands des Fördervereins) moderiert wurde, wurden zahlreiche aktuelle Fragen der Verfassungsentwicklung angesprochen. Ein besonderer Schwerpunkt lag auf der Frage, wie auch die Resilienz der Anwaltschaft künftig noch besser gesichert werden könnte, etwa durch eine ausdrückliche Verankerung der anwaltlichen Unabhängigkeit im Grundgesetz. Zudem wurden die Lage der Landesverfassungsgerichte diskutiert. Am Rande wurden auch die Erfolgsaussichten und die Sinnhaftigkeit eines möglichen AfD-Verbotsverfahrens gestreift. Unter den Gästen konnten u.a. der neu gewählte Präsident des Deutschen Anwaltvereins, Stefan von Raumer, die DAV-Hauptgeschäftsführerin Sylvia Ruge sowie Dr. Dirk Gilberg, Mitglied des Verfassungsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen, begrüßt werden.
Das Institut für Anwaltsrecht und der Förderverein danken Herrn Dr. Karpenstein herzlich für den fundierten und mit persönlicher Leidenschaft vorgetragenen Beitrag sowie allen Gästen für die anregende Diskussion. Im Anschluss klang der Abend bei einem kleinen Umtrunk aus, der Gelegenheit zu weiterem Austausch bot.